Shitstorm

Aus Social-Media-ABC
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Shitstorm ist ein englisches Wort, dass übersetzt ein chaotisches oder desaströses Ereignis, einen Aufruhr oder Tumult bezeichnet.

Ein Shitstorm wird als Begriff für ein Internet-Phänomen auf sozialen Plattformen (wie z.B. Facebook) verwendet, bei dem innerhalb kurzer Zeit sehr viele kritische, negative Äußerungen zu einem Unternehmen, einem Produkt, einer Dienstleistung oder einer Person veröffentlicht wwerden. Dabei ist die Form der Kritik häufig emotional und unsachlich, gar bedrohend, aggressiv oder beleidigend. Ein Shitstorm verbreitet sich viral in rasender Geschwindigkeit übers Internet und wird nicht selten von klassischen Medien aufgegriffen, die darüber berichten.

Der Begriff Shitstorm wurde zum Anglizismus des Jahres 2011 gewählt, weil er, laut Jury, „eine Lücke im deutschen Wortschatz füllt, die sich durch Veränderung in der deutschen Diskussionskultur aufgetan hat.“ ([1])

Social Media Experte Sascha Lobo definiert einen Shitstorm wie folgt: „Als Shitstorm soll hier der Prozess bezeichnet werden, wenn in kurzem Zeitraum eine subjektiv große Anzahl von kritischen Äußerungen getätigt wird, von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema ablöst und stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt wird.“

Auf der re:publica 2011 schlug Social Media Expertin Kerstin Hoffmann folgende Definition vor: „Ein shitstorm ist so ziemlich das Schlimmste, was einer PR-Abteilung eines Unternehmens passieren kann. Das ist nämlich ein Gewitter, ein Sturm der Entrüstung, der Häme, Verleumdung, aber auch von wahren und oft sehr polemischen Äußerungen, die sich über das Web sehr schnell verbreiten können.“

Die Entstehung eines Shitstorms

Ein Shitstorm kann durch folgende Ereignisse ausgelöst werden:

• Fehler, die klar dem Verursacher zuzuordnen sind

• Enttäuschungen durch nicht erfüllte Erwartungen

• Missstände, die öffentlich werden

• Kommentare oder Aussagen, die andere beleidigen aufregen oder provozieren

Anläßlich der Social Media Marketing Konferenz 2011 haben Barbara Schwede und Daniel Graf die sog. Shitstorm-Skala entwickelt. Diese Skala orientiert sich an der Beaufort Skala (Winde werden nach ihrer Geschwindigkeit klassifiziert) und dient dazu, einen Shitstorm näher zu beschreiben und zu analysieren. ([2])

Verhalten während eines Shitstorms

Tobt ein Shitsturm erst einmal so richtig los, kann man ihn kaum aufhalten. In dem Fall sollte man folgendes beachten:

• Der Shitstorm ist ein meist kurzlebiges, mediales Phänomen

• Obwohl ein Shitstorm sehr emotional ist, darf weder impulsiv noch ebenso emotional reagiert werden

• Jeder Shitstorm beinhaltet auch ernsthafte Kritik. Diese sollte analysiert werden.

• Nur auf diese ernsthafte Kritik reagieren – wenn überhaupt nötig

• Sollten Fehler passiert sein, dann offen und ehrlich zugeben, sich entschuldigen und darstellen, wie der Fehler beseitigt und künftig vermieden werden kann

• Dabei eigene Aussagen sehr sachlich und souverän halten

• Beleidigungen, Agressionen und Beschimpfungen ignorieren

In jedem Unternehmen, das auf sozialen Plattformen aktiv ist, sollte für solche Fälle eine Krisenstrategie besitzen und einheitlich nach ihr vorgehen.

Sasha Lobo geht während seines Vortrags auf der re:publica 2010 noch weiter. Er sieht durchaus Positives in einem Shitstorm:

Warum man shitstorms aushalten muss

Shitstorms haben trotz ihrer rohen, scheinbar uninhaltlichen Verbalgewalt eine wichtige Funktion. Shitstorms wirken vorbeugend – die Angst vor shitstorms kann helfen, gesellschaftliche Akteure ihr eigenes Handeln überdenken zu lassen. Shitstorms sind damit keine Kritik, aber ein Hyperkorrektiv, das nicht in seiner Art, aber durchaus seiner Wirkung Teile der gesellschaftsverbessernden Funktionen des Investigativjournalismus übernehmen kann: Die Angst vor dem shitstorm als Handlungsregulativ“(Sasha Lobo, 2010)

Vorteile eines Shitstorms für Unternehmen am Beispiel ING DiBa

Das ein Shitstorm für das angegriffene Unternehmen auch Vorteile haben und sein Image stärken kann, zeigt der Fall der ING DiBa. Ende des Jahres 2011 warb die Bank mit ihrem Testimonial Dirk Nowitzki für ihre hohen Sparzinsen. Das der Schauplatz des Spots eine Metzgerei war, bescherte der Bank einen zwei Wochen lang anhaltenden Shitstorm auf ihrer Facebook-Präsenz, in dem sich Vegetarier, Veganer und bekennende Fleischesser eine erbitterte Diskussion leisteten. Doch die Bank feuerte die Diskussion sogar an, in dem sie betonte: "Gespannt verfolgen wir die aktuelle Diskussion auf unserer Facebook-Seite. [...]Selbstverständlich laden wir Sie herzlich dazu ein, weiterhin Ihre Meinungen frei zu äußern und Ihren Standpunkt zu vertreten." Die User nahmen die Bank beim Wort und diskutierte zwei Wochen lang weiter, bis sie postete: "Wir als Bank haben das Ziel, unseren Kunden attraktive Finanzprodukte und einen guten Service anzubieten. Um den Anliegen unserer Kunden und Interessenten wieder mehr Raum zu eben, werden wir nun neue Posts zu den genannten Themen von der Pinnwand entfernen.“ Der Post erntete über 500 Likes. Ein Großteil der User aber auch die Medien lobten das vorbildliche Verhalten der Bank und deren Umgang mit dem Shitstorm. (Quelle: http://www.welt.de/wirtschaft/article13823554/ING-DiBa-macht-Schluss-mit-dem-Wurstkrieg.html am 16.04.2013)

Kann man einen Shitstorm vermeiden?

Eigentlich kaum. Aber eine gute Online-Reputation und ein lückenloses Monitoring ist die beste Vorsorge. Der erfahrene Kommunikationsberater Nils Zeizinger rät dazu, so gut wie möglich auf einen Ernstfall vorbereitet zu sein. Zunächst benötigen Unternehmen eine Art „Sturmwarnung“. Sie sollten frühzeitig über Gerüchte, Kritik oder Boykott-Drohungen informiert sein. Monitoring spielt daher eine zentrale Rolle. Diese Markt- und Umfeldbeobachtung sollte sich auf Social-Media-Kanäle, Blogs, Foren, Verbraucherschutz-Seiten und Jobbewertungsportale konzentrieren und an sieben Tagen in der Woche erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass Shitstorms nicht selten durch unbedachte Äußerungen von eigenen Mitarbeitern ausgelöst werden. Unternehmen sollten dringend in Erwägung ziehen, die Kommunikation nach außen klar zu regeln und die Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Einer Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit amerikanischen Kollegen zufolge ist es gefährlich, als Unternehmen Macht zu demonstrieren. Dies verstärke lediglich den so genannten „Robin-Hood-Effekt“, der alle User in Empörung gegen den vermeintlichen Gegner vereint.  Es ist sinnvoll, sich stets zu hinterfragen und sich seiner eigenen Schwächen bewusst zu sein, denn aus diesen ergeben sich in der Regel die Probleme. Auch Partner und Zulieferer etc. sollten im Blick behalten werden, denn auch deren Fehlverhalten kann negativ aufs Unternehmen zurückfallen. Wenn der Ernstfall eintritt, ist Schnelligkeit gefragt. Um diese zu garantieren, müssen die Verantwortlichen geklärt sowie die beteiligten Mitarbeiter ausreichend geschult und vorbereitet sein. Im besten Fall gibt es einen Krisenplan. Es lohnt sich, so genannte „Darksites“ zu erstellen. Hierbei handelt es sich um vorbereitete Webseiten, die erst im Krisenfall freigeschaltet werden. Grundsätzlich sollte jede Kritik am Unternehmen ernst genommen werden, es gilt, mit Verständnis und Empathie zu reagieren. Negative Kommentare zu löschen, ist in der Regel ein Fehler, der einen Shitstorm sogar verschärfen und auf andere Kanäle übertragen kann. Solange die Kritik auf eigenen Plattformen des Unternehmens stattfindet, hat man wesentlich mehr Handlungsspielraum. Das Unternehmen sollte sich deshalb seiner Verantwortung stellen. Es sollte kommuniziert werden, dass eine Lösung angestrebt wird. Wichtig ist, dass alle Stellungnahmen glaubwürdig wirken. Kunden müssen auf Augenhöhe und individuell angesprochen werden und das Ergebnis muss konstruktiv sein, beispielsweise in der Ankündigung der Verbesserung eines Produktes oder des Service´ liegen. Der Ton sollte dabei stets freundlich und sachlich sein.  Entscheidend ist darüber hinaus die Wahl des Kanals. Manchmal kann man direkt auf negative Facebook-Beiträge antworten, manchmal sollte zur Klärung ein etwas längerer Blogbeitrag in Erwägung gezogen werden. Wenn andere Medien das Thema aufgegriffen haben, muss eine Richtigstellung geprüft werden. In einigen Fällen kann es hilfreich sein, durch Gründung suchmaschinenoptimierter Plattformen die negativen Inhalte von den vorderen Suchmaschinenplätzen zu verdrängen („Content Bumping“).  

Beispiel: Schlecker

Shitstorm wegen einer Äußerung des Leiters Unternehmenskommunikation Holger Baum von Schlecker zum neuen Slogan „For you. Vor Ort“. Er sagte (am 01.09.2011), dieser Slogan solle „die durchschnittlichen Schlecker-Kunden, die niedrigen bis mittleren Bildungsniveau zuzuordnen sind, ansprechen.“ Ein paar Wochen später (Ende Oktober 2011) wurde diese Äußerung öffentlich und daraufhin entbrannte ein Proteststurm auf Social Media Plattformen und auch in zahlreichen klassischen Medien wie z.B. spiegel.de

Auch Sasha Lobo schreibt dazu: http://saschalobo.com/2011/10/28/der-brief-den-schlecker-jetzt-schreiben-sollte/

Übersicht Shitstorms 2011: http://t3n.de/news/shitstorms-2011-grosten-aufreger-354013/

Weblinks