Prozedurales wissen

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Der Begriff Prozedurales Wissen gehört zu einer Form des Langzeitwissens. Unterschieden werden in diesem Zusammenhang prozedurales und deklaratives Wissen. Während deklaratives Wissen erklärbares Faktenwissen bezeichnet, ist das prozedurale dynamisch und praktisch nutzbares Wissen. Es ist auf Handlungsabläufe, die man unbewusst in seiner Verarbeitungsroutine bewältigt, bezogen und das Wissen darüber, wie mit bestimmten Handeln und Vorgehen ein gewünschtes Resultat erreicht werden kann. Diese unbewussten Verarbeitungsroutinen sind nur schwer artikulierbar und können daher auch implizites Wissen sein. Grundlage für prozedurales Wissen ist das deklarative Wissen, da vor der unbewussten Verarbeitungsroutine das Erlernen des Faktenwissens nötig ist.


Typische Beispiele für prozedurales Wissen:

Autofahren, Fahrradfahren, Tanzen. Schwimmen, Sprechen.

Prozedurales Wissen bestimmt jeden Handlungsablauf, jede Tat. Emotionen zeigen sich dabei in der Körpersprache, im körperlichen Reaktionsmuster. Nietzsche sagte schon: "Man kann durch den Mund lügen, der Körper sagt uns die Wahrheit." Durch Übung kann prozedurales Wissen verbessert werden. Das geschieht selbst, wenn der 'Speicherplatz' für deklaratives Wissen keinen Datenaustausch mehr zur Verfügung stellen kann(z.B. bei verschiedenen hirnorganischen Erkrankungen). In diesem Fall kommen gespeicherte motorische Erfahrungsdaten zum Einsatz und neurobiologische Programme mittels Spiegelneuronen. Mit deren Hilfe werden beobachtete Handlungen übernommen und im eigenen Körper in einem eigenen Programm realisiert. Wir Gähnen zum Beispiel, weil andere Gähnen und Lachen ist ansteckend.

Wie bei dem allwissenden Asterix und dem gedankenlosen Obelix führen die Handlungsneurone der prämotorischen Hirnrinde - Joachim Bauer betitelt sie als 'intelligente Asterix-Nervenzellen' - ( in: Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst', Heyne-Verlag 2006, ISBN978-3-453-61501-4) die Handlungsplanung durch und die Bewegungsneurone - 'Obelix-Nervenzellen' - der motorischen Hirnrinde geben den Muskelzellen den Handlungsbefehl oder es bleibt beim Handlungsvorsatz.

Deklaratives Wissen ist nicht mit dem expliziten, also verbal vermittelbarem Wissen identisch. Informationsverarbeitende 'Organe' (Computer, neuronale Netze) benötigen deklaratives Wissen als faktisch eingeprägtes Wissen, um zu prozeduralem Wissen und letztendlich zu einer Prozedur (Handlung) zu führen. Es muss aber nicht explizit als Faktenwissen abrufbar oder erklärbar sein.

Bei jeder avisierten Handlung treten automatisch ('implizit', Joachim Bauer, S. 43) bewegungsgesteuerte Nervenzellen und simultan ein sensorisches und sensibles Neuronen-Netzwerk in Kraft.

Unsere Spiegelneuronen wirken als Simulatoren, wenn wir uns auf die Handlung eines Mitmenschen einlassen. Wir können z.B. mitfühlen, mithören, mitsehen und als zuhörender Klavierspieler aufgrund der entsprechenden Erfahrung sogar mittels der Bewegungsneurone mithandeln. Ähnliches passiert bei einer Flugsimulation oder Second Life.

Neuere Hirnforschung beschäftigt sich inzwischen ausführlich mit 'intuitivem Wissen'. Es wird durch Spiegelphänomene in gewissen Situationen aktiviert und die dabei in verschiedenen Hirnarealen gespeicherten Daten vermitteln uns Signale in einer Form von Vorahnung. Die im Gehirn aufgenommenen und vernetzten Daten führen letztendlich häufig zur passenden Handlungsentscheidung, was als 'Handlung aus dem Bauch heraus' landläufig bezeichnet wird. Joachim Bauer weist darauf hin, dass die Fähigkeit zum intuitiven Verstehen mittels Spiegelnervenzellen uns keineswegs vor Irrtümern und falschen Wahrnehmungen schütze. Somit kann eine erfolgreiche Aktion erst durch das Zusammenwirken von prozeduralem Wissen einschließlich intuitiver und ergänzender kritisch-analytischer Beurteilung entstehen.(1, 2)

Prozedurales Wissen ist in Lernprozesse und Anwendungsprozesse unterteilbar. Die ersteren sind die Grundlage für die anschließende Anwendung und entsprechend sich entwickelnde Routine. Bei anterograder Amnesie nach einer Hirnverletzung ist das bewusste Erinnern neuer Erlebnisse verhindert, nicht aber das unbewusste prozedurale Lernen. Der flüssige Sprachgebrauch ist vorhanden, das bedeutet, dass die prozedural und grammatisch flüssige Sprache bestehen bleibt. (Explizite Grammatikregelkenntnisse, also explizites Wissen und Lernen ist nicht erforderlich und nicht Voraussetzung sondern erfüllt nur zusätzlich stützende Funktionen.) Sprache ist somit vorwiegend prozedural bedingt. (Siehe auch im social-media-abc unter #Sprachwissen)


Weblinks:


Deklaratives und prozedurales Wissen, explizites und implizites Wissen

(1) http://www2.uni-wuppertal.de/FB4/anglistik,/multhaup/brain_language_learning/html/brain_memory_stores/6_declarative_procedural_txt.html


Wissensarten [1]

Deklaratives und prozedurales Wissen, explizites und implizites Wissen:

(1) http://www2.uni-wuppertal.de/FB4/anglistik/multhaup/brain_language_learning/html/brain_memory_stores/6_declarative_procedural_txt.html

(2) http://www2.uni-wuppertal.de/FB4/anglistik/multhaup/brain_language_learning/html/brain_memory_stores/frameset_memory_stores.htm

Literatur: Dickinson, A.: Contemporary animal learning theory. Cambridge University Press, Cambridge 1980 Halgren, E., Babb, T.L., Crandall, P.H.: Activity of human hippocampal fromation and amygdala neurons during memory testing. Electroenceph. clin. Neurophysiol. 45: 585-601, 1978 Laplane, D., Levasseur, M., Pillon, B., Dubois, B., Baulac, M., Mazoyer, B., Tran Dinh, S., Sette, G., Danze, F., Baron, J.C.: Obsessive-compulsive and other behavioural changes with bilateral basal ganglia lesions. A neuropsychological, magnetic resonance imaging and positron tomography study. Brain 112: 699-725, 1989

Ljungberg, T., Apicella, P., Schultz, W.: Responses of monkey dopamine neurons during learning of behavioral reactions. J. Neurophysiol. 67: 145-163, 1992

Schultz, W., Apicella, P., Scarnati, E., Ljungberg, T.: Neuronal activity in monkey ventral striatum related to the expectation of rewrad. J. Neurosci. 12: 4595-4610, 1992

Scoville, W.B. and Milner, B.: Loss of recent memory after bilateral hippocampal lesions. J. Neurol. Neurosurg. Psychiat. 20: 11-21, 1957

Squire, L.R., Ojemann, J.G., Miezin, F.M., Petersen, S.E., Videen, T.O. and Raichle, M.E.: Activation of the hippocampus in normal humans: a functional anatomical study of memory. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 89: 1837-1841, 1992

Sacks, O.: Der verlorene Seemann. In: Der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte, pp. 42-68, Rowohlt Taschenbuch, 1987

Wise, R.A., Schwartz, H.V.: Pimozide attenuates acquisition of lever-pressing for food in rats. Pharmacol. Biochem. Behav. 15: 655-656, 1981


Annette`s Blog – Deklaratives und Prozedurales Wissen [2]

Bildung und Medien – Wissensformen [3]