Clearview AI: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. März 2020, 19:19 Uhr

Clearview AI

Am 18. Januar 2020 veröffentlichte die New York Times den Artikel „The Secretive Company That Might End Privacy as We Know It“ in dem offengelegt wurde, dass eine neue Gesichtserkennungs-Technologie des US Start-up-Unternehmens Clearview AI ohne Wissen der Öffentlichkeit bereits bei 600 Behörden im Einsatz war. „Big Brother is Watching You“: Drei Tage vor dem 70. Todestag des Autors George Orwell wurde bekannt, dass die allgegenwärtige Datenüberwachung vielleicht bald Realität sein könnte. Und wir, wie in Orwells Roman „1984“, bereits beim Spaziergang vor dem Haus und mittels eines einzigen Fotos identifiziert werden könnten.

Firmengründung Clearview AI

Die Firma wurde 2017 vom australischen Entwickler Hoan Ton-That und seinem Geschäftspartner Richard Schwartz, einem Berater des ehemaligen Bürgermeisters von New York, Rudolph Giuliani, gegründet. Die Geschäftspartner lernten sich bei einer Buchpräsentation in New York kennen und entschlossen sich gemeinsam in das Gesichtserkennungs-Business einzusteigen: Ton-That sollte die App entwickeln, Schwartz seine Kontakte zur gesellschaftlichen und politischen Elite New Yorks bei der Kundenakquise nutzen. Finanziell unterstützt wurde das Unternehmen u.a. vom PayPal-Mitbegründer Peter Thiel, einem Venture Kapitalisten, der auch im Aufsichtsrat von Facebook sitzt und Wahlkampfunterstützer Donald Trumps war.

Die Funktionsweise

Die von Clearview AI entwickelte Gesichtserkennungstechnologie geht weit über das hinaus, was die US-Regierung oder Silicon Valley-Giganten bisher entwickelt bzw. auf den Markt gebracht hatten. Selbst Google war die kommerzielle Auswertung einer Gesichtserkennungs-Software bisher zu heikel. Die Clearview-App greift auf eine Datenbank mit drei Milliarden Bildern zu, die das Unternehmen von Sozialen Medien wie Facebook, YouTube, dem US-Bezahldienst Venmo und Millionen von anderen Websites, wie Mitarbeiter-Seiten von Unternehmen, abgesaugt hat. Clearview hat hierzu u.a. Unterlassungserklärungen von Google und Twitter erhalten, da das Herunterladen von Fotos nicht deren Nutzungsbestimmungen der Anwendungen entspricht. Dies erfolgte mit einer „Scraper-Software“, die automatisch Fotos herunterlädt, die nicht auf „privat“ gestellt und die im Internet öffentlich verfügbar sind. Zum Vergleich: Die Los Angeles Police kann in 8 Millionen Fotos suchen und das FBI in 411 Millionen. Die Daten liegen hierbei auf dem Server von Clearview AI. Die App funktioniert mittels Gesichtserkennungs-Technologie und Machine Learning. Um die Identität einer Person herauszufinden, genügt es, ein Foto von ihr aufzunehmen oder sie über eine Überwachungskamera zu filmen und das Bild hochzuladen. Mit dem Ergebnis alle Fotos angezeigt zu bekommen, die öffentlich zur Person im Internet zugänglich sind inklusive der Links zu den Websites, auf denen das Foto erscheint und verknüpft mit der Identität der Person. Gesichtserkennungssoftware gibt es bereits länger (beispielsweise Apple Face ID oder die russische App FindFace) doch Clearview geht mit seiner Technologie einen Schritt weiter: Ein System analysiert die Fotos anhand von optischen Merkmalen (Abstand der Augen, Dreieck Augen, Nase, Mund etc.) und rechnet diese in Vektorgrafiken um und erstellt so ein mathematisches Modell des Gesichts, das von Maschinen gelesen werden kann. Mithilfe eines Rasters gleicht die Software das hochgeladene Bild mit vorliegenden Bildern einer Datenbank nach Ähnlichkeiten ab.

Die Einsatzmöglichkeiten und die Verbreitung

US-Behörden gaben an, mithilfe von Clearview erfolgreich Ladendiebe, Kreditkartenbetrug, Mord und Fälle von sexueller Ausbeutung Minderjähriger aufgeklärt zu haben. Nach Angaben von Clearview AI haben in 2019 600 Behörden die App benutzt. Laut New York Times stellte Clearview AI ihre Gesichtserkennungs-App hunderten von Vollzugsbehörden in den USA zur Verbrechensbekämpfung zur Verfügung, darunter lokale Polizeibehörden, das FBI sowie das „Department of Homeland Security“. Durch einen Datenleak einer Kundenliste des Unternehmens wurde bekannt, dass Clearview AI 2.900 registrierte Nutzer in 27 Ländern hat, viele davon sind keine Behörden zur Strafverfolgung oder Sicherheitsbehörden. Unter den privaten Nutzern sollen Unternehmen wie die Handelsketten Macy‘s, Best Buy und Walmart, die US-Bank Wells Fargo, die NBA (National Basketball Association) sowie Universitäten und Campus-Sicherheitsdienste sein.

Der Einsatz von Gesichtserkennungs-Software in Deutschland und der EU

In Deutschland bestehen bei biometrischen Erkennungsverfahren strenge Vorschriften durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Privatpersonen und Unternehmen müssen von jeder Person, deren Gesicht sie abgleichen eine Genehmigung einholen. Die EU Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen plant ein Verbot von Gesichtserkennungssoftware für die nächsten 3-5 Jahre, das für private und öffentliche Nutzung der als „Risiko-Technologie“ eingestuften Entwicklung gelten soll. In dieser Zeit soll ein rechtlicher Rahmen erarbeitet werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer schließt den Einsatz der Technik in Deutschland zunächst aus und hat eine entsprechende Passage aus dem Polizeigesetz gestrichen, obwohl die Union Gesichtserkennungssoftware positiv gegenübersteht. Geplant sei, dass künftig die Bundespolizei biometrische Daten der Passanten automatisch mit Fahndungsdaten abgleichen kann. Dies stößt allerdings auf heftige Gegenwehr der Opposition und von Datenschützern.

Kritik

Kritiker sprechen beim Einsatz von Gesichtserkennungssoftware von einer massiven Einschränkung der Persönlichkeitsrechte. Ein Beispiel ist der Einsatz für private Zwecke: Als der US-Milliardär Catsimatidis im Promi-Restaurant Cipriani in Manhattan saß, betrat seine Tochter das Lokal mit einem ihm unbekannten Mann. Catsimatidis bat den Kellner Fotos zu machen und erhielt via Clearview die Identität des Mannes. Der Computercode der App kann mit Augmented-Reality Brillen mit Kameras verknüpft werden. So könnten politische Aktivisten wie bei den Studentenaufständen in Hong Kong erkannt werden. Zudem ist die Technik wenig überprüft, könnte ungenau sein und falsche Personen könnten verdächtig werden. Hinzu kommt noch, dass Gesichtserkennungsysteme mit Fotos von weißen Gesichtern gefüttert werden, dementsprechend sind sie bei „People of Color“ oft sehr ungenau. Da eine wachsende Anzahl an Polizeibehörden Bilder bei Clearview hochlädt, erhält das Unternehmen auch einen riesigen Datenpool an Personen, die die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich gezogen haben. Informationen zu polizeilichen Ermittlungen liegen somit auf dem privaten Servern von Clearview. Zudem gibt es keine Rechtsvorgaben wer dieses extrem riskante Tool nutzen darf und die Datensicherheit ist ebenfalls ungeprüft.

Quellen

Artikel in der New York Times vom 18.01.2020

https://www.nytimes.com/2020/01/18/technology/clearview-privacy-facial-recognition.html

https://www.zeit.de/digital/2020-01/clearview-gesichtserkennung-app-start-up-hoan-ton-that

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Gesichtserkennung-Apple-blockiert-App-von-Clearview-AI-4671840.html

https://www.sueddeutsche.de/digital/clearview-datenschutz-gesichtserkennung-dsgvo-1.4766724

https://www.buzzfeednews.com/article/ryanmac/clearview-ai-fbi-ice-global-law-enforcement

https://www.welt.de/wirtschaft/article205622207/Gesichtserkennung-Lehren-aus-dem-System-Clearview.html

https://www.sueddeutsche.de/digital/clearview-datenschutz-gesichtserkennung-dsgvo-1.4766724

https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/gesichtserkennung-clearview-ai-verkauft-fragwuerdige-technik-an-us-behoerden-a-54779c50-2237-451d-b7f9-018cc0c90114

https://www.pcwelt.de/news/Leak-EU-will-Gesichtserkennung-verbieten-10738393.html
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gesetzesreform-warum-hat-seehofer-die-gesichtserkennung-gestoppt-16599260.html